Therapeutische Optionen

Hämophilie A/B

Therapie

Substitution

Oberste Leitlinien der Substitutionstherapie sind Sicherheit, Reinheit der Konzentrate sowie Kosteneffektivität. Zur Substitutionstherapie stehen heute rekombinant hergestellte FVIII- und FIX-Konzentrate zur Verfügung. Daneben werden FVIII- und FIX-Konzentrate verwendet, die aus Spenderplasma über Ionenaustauscher-Chromatographie, Affinitätschromatographie oder Immunpräzipitation gewonnen werden. Die Präparate mit der höchsten Sicherheit und Reinheit sind rekombinant hergestellt Konzentrate. Sie sind den Konzentraten aus menschlichem Plasma vorzuziehen. Dies gilt in besonderem Maße für:

  • HIV-infizierte Hämophile
  • HCV-infizierte Hämophile
  • Hämophile, die bislang keine Gerinnungsfaktoren erhalten haben.

Die aus menschlichem Plasma hergestellten Faktorenkonzentrate sind heutzutage gereinigt und virusinaktiviert, so daß sie als HIV-sicher gelten und auch ein hohes Maß an Hepatitis-Sicherheit haben (Restrisiken: Produktionsfehler, Verfahren, die nur Viren mit Lipidhüllen erfassen, neue Virusstämme, Prionen). Die Indikation zur Substitutionstherapie muß trotzdem unter den Gesichtspunkten schwerer bleibender Nebenwirkungen gestellt werden, d.h. vor allem:

  • Restrisiko an Virusinfektionen
  • Gefahr der Bildung von Hemmkörpern (Alloantikörpern, die den injizierten Gerinnungsfaktor inaktivieren, so daß die Blutstillung erschwert ist.

Bei Patienten mit schweren angeborenen Blutungsleiden, insbesondere Hämophilie A, B, VWS Typ 3, kann die Indikation zur Substitutionstherapie großzügiger gestellt werden, da diese Patienten um eine Substitutionstherapie im Laufe ihres Lebens meist nicht umhin kommen.

Bei Patienten mit milden, ggf. noch nicht behandelten, angeborenen Blutungsleiden muß die Indikation zur Substitutionstherapie aus den o.g. Gründen streng gestellt werden. Unter Umständen ist dem Patienten vorzuschlagen, auf nicht vital erforderliche Operationen zu verzichten! Bei Patienten mit milder Hämophilie A oder VWS Typ 1 kann für kleinere Eingriffe und nicht bedrohliche Blutungen durch Kurzzeitinfusionen mit DDAVP (Minirin®, Fa. Ferring, s.u.) auf die Gabe von FVIII oder VWF verzichtet werden.

Die Faktorenkonzentrate werden intravenös meist im Bolus innerhalb weniger Minuten injiziert, im Rahmen von operativen Eingriffen auch kontinuierlich i.v. mit 2-4 E/kg KG/Std. je nach Bedarf und Dauer der Substitution. Voraussetzung für eine adäquate hämostyptische Therapie ist eine ausreichend hohe und ausreichend lange Substitutionstherapie. Die Höhe des Wirkspiegels, die Häufigkeit der Wiederholungen der Injektionen unter Berücksichtigung der Halbwertszeit des jeweiligen Faktors und die Dauer der Behandlung richten sich nach Art und Ausmaß der Blutung sowie der Dauer der Wundheilung. So können 75 % der Gelenkblutungen im Initialstadium mit einer einzigen Injektion behandelt werden. Andererseits ist nach Operationen eine Substitution des fehlenden Gerinnungsfaktors u.U. bis 3 Wochen und ggf. länger, nämlich bis zum vollständigen Abschluß der Wundheilung erforderlich (z.B. nach Tonsillektomie, Hernien-Operationen u.a.).

  Merke:
Eine Einheit (IE) eines Gerinnungsfaktors pro kg KG bringt einen Anstieg um 1-2%.  
 

Die initiale Dosierung kann für FVIII und FIX am besten nach folgender, einfacher Formel berechnet werden:

  Merke:
Dosis [IE] = benötigter Spiegel [%] * Körpergewicht [kg].  
 

Als Erhaltungsdosis wird bei FVIII alle 6-12 Stunden, bei FIX alle 12-24 Stunden die halbe Initialdosis verabreicht.

Prophylaktische Substitutionstherapie
Studien haben gezeigt, dass durch kontinuierliche Aufrechterhaltung niedriger FVIII- bzw. FIX-Plasmaspiegel die Häufigkeit von Blutungskomplikationen sowie die Langzeitprognose der Patienten erheblich verbessert werden. Die Prophylaxe ist besonders effektiv, wenn sie bereits im frühen Kindesalter begonnen wird. Die Dosierung beträgt bei der Hämophilie A 20-30 Einheiten/kg Körpergewicht mindestens dreimal pro Woche. Aufgrund der längeren Halbwertszeit von FIX genügen bei der Hämophilie B unter Umständen weniger Injektionen pro Woche. Durch Implantation von venösen Portsystemen wird die intravenöse Gabe erleichtert. Sie wird wegen möglicher Komplikationen jedoch nicht uneingeschränkt empfohlen. Bei entsprechender Schulung kann auch eine Selbstbehandlung bzw. Behandlung durch die Eltern erfolgen.

Desmopressin
Das synthetische Analog des antidiuretischen Hormons (ADH) erhöht die Plasmaspiegel von FVIII und VWF sowohl beim Gesunden als auch bei Patienten mit milder Hämophilie oder VWS. Der Anstieg der Faktoren beträgt etwa das Doppelte bis Vierfache des Ausgangswerts und wird ca. eine Stunde nach Applikation erreicht. Die Substanz kann intravenös, subkutan oder nasal appliziert werden (0,4 µg/kg Körpergewicht). Allerdings ist der Effekt auf einige Tage beschränkt, da der Anstieg mit zunehmender Behandlungsdauer bis zur klinischen Ineffektivität abnimmt.

Tranexamsäure
Als Inhibitor der Plasminogenaktivierung antagonisiert Tranexamsäure die Fibrinolyse. Die Substanz kann ggf. zusammen mit FVIII-, FIX- oder FVIIa-Konzentraten und Desmopressin gegeben werden, nicht jedoch mit aktivierten Prothrombinasekomplexen, da es hier zu thromboembolischen Komplikationen kommen kann. Die Applikation erfolgt in der Regel oral, ist aber auch intravenös möglich (2-3x tgl. 500 mg). Während und nach Zahnextraktionen hat sich auch die lokale Applikation von 4,8 %iger Tranexamsäurelösung bewährt.

Hemmkörper-Hämophilie
Sowohl bei Patienten mit angeborenen Gerinnungsfaktormangel als auch bei zuvor Gerinnungsgesunden können Antikörper gegen Gerinnungsfaktoren gebildet werden. Am häufigsten sind diese auch als Hemmkörper bezeichneten Antikörper gegen den FVIII gerichtet, können aber prinzipiell gegen alle Gerinnungsfaktoren gerichtet sein. Seltener als FVIII-Hemmkörper sind Antikörper, welche die Faktoren IX, V oder VII inhibieren. Biochemisch gehören diese Hemmkörper zumeist der Klasse IgG4 an, andere Subklassen sind wesentlich seltener. Die entsprechende Titerhöhe des Hemmkörpers wird als Bethesda-Einheit (BE) ausgedrückt (s.o.). Patienten, die Hemmkörper von weniger als 5 BE bilden, werden als low titer-, solche die 5 und mehr BE bilden als high titer-Patienten bezeichnet. Bei ca. 10 bis 52% aller Patienten mit angeborenem Hämophilie kann sich infolge einer Substitutionstherapie ein Hemmkörper ausbilden. Dabei handelt es sich zumeist um Kleinkinder.

  Merke:
in Verdacht auf das Vorliegen eines Hemmköpers besteht, wenn:

• eine Blutung persistiert oder spontane Blutungen gehäuft auftreten, obwohl rechnerisch genügend Faktorenkonzentrat gegeben wurde,
• die Recovery nicht dem berechneten Wirkspiegel entspricht,
• die Halbwertszeit kürzer als zu erwarten ist.  
 

Die Therapie der Hemmkörper-Hämophilie gliedert sich in die

  • Behandlung akuter Blutungen
  • Langfristige Elimination von Hemmkörpern.

Die im folgenden dargestellte Therapie von FVIII-Inhibitoren kann exemplarisch auch für (einige) andere Hemmkörper angesehen werden. Es wird besonders auf die Leitlinien der BÄK hingewiesen (Schramm, Barthels 2001).

Therapie akuter Blutungen:
Rekombinanter Faktor VIIa.
Porciner FVIII
Aktivierte Prothrombinkomplex-Präparate (FVIII inhibitor bypassing activity)

  Patienten mit niedrig-titrigem Hemmkörper (=low titer, 
  Hemmkörperspiegel <5 BE) bei akuten Blutungen:
Therapie mit Faktorenkonzentraten hochdosiert bis zum Erreichen hämostyptisch wirksamer Spiegel. Wenn dies nicht gelingt:
 
Gabe von rekombinantem, aktiviertem Faktor VIIa (NovoSeven®, Fa. NovoNordisk) in einer Dosierung von zunächst 4,5 KIE /Kg KG alle 2 Stunden, weiter nach Beipackzettel und umgehend Rücksprache mit einem erfahrenen Hämophilie-Behandler.
 
aktivierte Prothrombinkomplexkonzentrate (Feiba®, Fa. Baxter-Immuno) 20-100 E/kg KG, ev. alle 8-12h, ev. kombiniert mit Faktor VIII.
 

  Patienten mit hohem Hemmkörperspiegel (=high titer,
  Hemmkörperspiegel > 5 BE) bei akuten Blutungen:
Gabe von rekombinantem, aktiviertem Faktor VIIa (NovoSeven®, Fa. NovoNordisk) in einer Dosierung von 4,5 KIE/Kg KG 2 stündlich, weiter nach Beipackzettel und umgehend Rücksprache mit einem erfahrenen Hämophilie-Behandler.
 
aktivierte Prothrombinkomplexkonzentrate (Feiba®, Fa. Baxter-Immuno) 20-100 E/kg KG, ev. alle 8-12h.
 
Immunadsorption in Akutfällen zur Senkung des Hemmkörperspiegels mittels Ig-Säulen (s.u.).
 

Tab. 0.2: Übersicht zur Therapie akuter Blutungen bei Hemmkörper-Hämophilie.

Hemmkörper-Elimination:

  • Immuntoleranztherapie
  • Intravenös applizierte Immunglobuline (IVIG)
  • Immunsuppression

  Merke:
Bei Hämophilien mit Alloantikörper ist die immunsuppressive Therapie zur Hemmkörperelimination allein ohne Faktorgabe selten erfolgreich.
Bei Nicht-Hämophilien mit Autoantikörper ist die Immuntoleranztherapie zur Hemmkörperelimination allein ohne immunsuppressive Therapie selten erfolgreich. 
 

Immunadsorption
Neuerdings wird vermehrt die Immunadsorption als Kombination aus Immunsuppression, Immunmodulation und Immuntoleranztherapie angewandt.

  Malmö-Protokoll :
 • Immunadsorption bei Inhibitoren >10 BE
 • Cyclophosphamid ab Tag 1 der Therapie 12-15 mg/Kg Kg i.v. für
    2 Tage, danach für insgesamt 8-10 Tage 2-3 mg/Kg KG oral
 • FVIII/IX ab Tag 1 für 2-3 Wochen (Ziel 60-100%)
 • IVIG 0,4 g/Kg KG für 5 Tage
 • anschließend übliche FVIII/IX-Prophylaxe 
 

Hemmkörper

Alloantikörper:
  • bei Patienten mit angeborenen Faktorenmängeln
  • gegen die substituierten Faktoren gerichtet
  • die Wirkung der Faktoren wird ganz oder teilweise neutralisiert erhöhtes Blutungsrisiko

Autoantikörper:

  • gegen körpereigene Gerinnungsproteine gerichtet, bei vorher Blutungs-Gesunden Schwerwiegendste Nebenwirkung, die heute bei der Therapie der Hämophilie A oder B auftreten kann. Hemmkörper treten nach Ø 11,7 Expositions-Tagen (bis 195 EP-Tage) auf bei Hämophilie A: Inzidenz ca. 25 – 30 % Risiko am größten bei Patienten mit schwerer u. mittelschwerer Hämophilie A bis 50 Expositions-Tage


Niedrigtitrige Hemmkörper < 5 B.U.
(Low Responder und High Responder)
Hochtitrige Hemmkörper 5 B.U.(High Responder)
Bei High Respondern durch Booster-Effekt“ Gefahr schwer zu therapierender Blutungen

Hemmkörper: Behandlung der akutenBlutung (Kinder und Erwachsene)

Low Responder (< 5 B.U.):
a) Faktor VIII hochdosiert bis zum Erreichen hämostatisch wirksamer Faktor VIII-Spiegel
b) Aktivierte Prothrombinkomplexpräparate, z.B. FEIBA, Initialdosis: bis 100 E/kg KG, Erhaltungsdosis: bis 100 E/kg KG 2mal/Tag- oder rekombinanter Faktor VIIa, mittlere initiale Dosis 90 g/kg KG

High Responder (> 5 B.U.):
a) Aktivierte Prothrombinkomplexkonzentrate, z.B. FEIBA, Initialdosis: bis 100 E/kg KG, Erhaltungsdosis: bis 100 E/kg KG 2mal/Tag- oder rekombinanter Faktor VIIa, mittlere initiale Dosis 90 g/kg KG
b) Bei fehlender Wirksamkeit und Überprüfung der cross reactivity porcines Faktor VIII-Konzentrat (Hyate C) 50 – 100 E/kg KG 2mal/Tag
c) Bei Notfällen und Versagen von a) und b) ggf. Immunadsorptionsapherese

Immuntoleranz-Therapie (ITT) bei Low Respondern Kinder:

a) Auch ohne klinische Symptomatik
b) Dosis: 50 – 100 E/kg KG F VIII-Konzentrat 3mal/Woche bis normale Recovery u. HWZ erreicht ist
c) HK-Kontrolle 1 – 2mal/Woche,danach Dauerbehandlung Erwachsene: keine Eliminationstherapie notwendig Bei Dauerbehandlung Dosis: 50 E/kg KG F VIII-Konzentrat 3mal/Woche

Immuntoleranz-Therapie (ITT) bei High Respondern

Kinder und Erwachsene:

Hochdosis-Therapie nach Bonn-Schema:

  • 100 – 200 E/kg KG F VIII-Konzentrat 2mal/Tag bis mehrmonatige Normalisierung der Recovery und HWZ erreicht ist
  • danach angepasste Dauerbehandlung
  • zusätzlich FEIBA (50 E/kgKG 2mal/Tag) zur Reduktion der Blutungsneigung möglich
  • Dauer der Therapie: 4 – 14 Monate
  • Erfolgsrate: ~ 90 % !
  • bei Versagen der ITT Abbruch in der Regel nach einem Jahr

Vorteil:

  • Sehr hohe Erfolgsrate
  • Geringe Nebenwirkungsrate

Nachteil:

  • relativ hoher Faktoren-Verbrauch
  • Durchführung als Heimselbst-Therapie
  • Hohe Compliance erreichbar

Erwachsene:

Kombinationstherapie nach Malmö-Schema: Faktor VIII:

  • 50 – 100 E/kg KG F VIII-/IX-Konzentrat 2mal/Tag extrakorporale Immunadsorption:
  • Immunosorba-Säulen (Protein-A)
  • Therasorb-Säulen (Schafantikörper gegen humane Ig) Immunsuppression:
  • IVIG + Cyclophosphamid o.a. Cytostatika

Therapie:

  • pro Behandlung 3facher Austausch des Plasmavolumens;
  • ø 25 Behandlungstage notwendig

Erfolgsrate:

  • ca. 62 % (Berntorp, Int. ITT-Workshop, Königswinter, 2001)

Vorteile:

  • geringerer Faktoren-Verbrauch als beim Bonn-Schema

Nachteile:

  • Bei F VIII-Alloantikörpern wesentlich geringere Erfolgsrate als beim Bonn-Schema
  • Behandlung muss in der Klinik durchgeführt werden
  • Belastung des Patienten durch extrakorporale Zyklen
  • Nebenwirkungen durch Cytostatika (bei Kindern problematisch)

Das Malmö-Schema findet deshalb hauptsächlich bei der Elimination von erworbenen Hemmkörpern bei Erwachsenen Anwendung

Abbruch oder Fehlschlagen einer ITT Bei Versagen der ITT Abbruch der Behandlung in der Regel nach einem Jahr (Konsensus-Empfehlung) Patient behält dauerhaft einen Hemmkörper und ein bleibendes erhöhtes Blutungsrisiko!

Bei Low Respondern: On-Demand-Therapie oder Prophylaxe mit erhöhter F VIII-Dosierung

Bei High Respondern: On-Demand-Therapie mit F VIII-Konzentrat oder Prophylaxe mit FEIBA oder rekombinantem Faktor VII a d.h. auf Dauer höhere Kosten:

  • höherer Verbrauch an Faktoren-Konzentrat (F VIII, FEIBA, rekombinanter Faktor VII a)
  • häufigere ambulante u. stationäre Klinikbesuche
  • zusätzliche Medikamente (z.B. Analgetika)

Therapie der Hemmkörperhämophilie

Nach Ausmaß der Hemmkörperaktivität unterscheidet man:
Low Titer: Höchster Hemmkörpertiter < 5 Bethesda-Einheiten
High Titer: Höchster Hemmkörpertiter > 5 Bethesda-Einheiten
Behandlung der akuten Blutung (Kinder u und Erwachsene)

1. Low Titer: Möglichkeit des Überspielens mit Faktor VIII-Konzentrat
a) durch hochdosierte Faktor VIII-Gabe bis zum Erreichen hämostatisch wirksamer Faktor VIII-Spiegel
b) rekombinanter Faktor VIIa, mittlere initiale Dosis 90µg/kg KG
c) aktivierte Prothrombinkomplexkonzentrate, z.B. Feiba, Initialdosis: bis 100 E/kg KG, Erhaltungsdosis bis 100 E/kg KG zweimal/Tag

2. High Titer:
a) rekombinanter Faktor VIIa, mittlere initiale Dosis 90µg/kg KG
b) aktivierte Prothrombinkomplexkonzentrate, z.B. Feiba, Initialdosis: bis 100 E/kg KG, Erhaltungsdosis bis 100 E/kg KG zweimal/Tag
c) bei Notfällen und Versagen von a) und b) ggf. Immunadsorptionspherese
d) bei fehlender Wirksamkeit und Überprüfung der Kreuzwirksamkeit porcines Faktor VIIIPräparat (Hyate C) 50-100 E/kg KG zweimal täglich

Hemmkörperelimination durch Erzeugung einer Immuntoleranz

1. Kinder

  • Low Titer (< 5 BE)
    Auch ohne klinische Symptomatik, Dosis: 50-100 E/kg KG Faktor VIII-Konzentrat dreimal/Woche bis zur Normalisierung der Recovery und Halbwertszeit. Hemmkörperkontrolle ein- bis zweimal wöchentlich erforderlich, danach Dauerbehandlung.
  • High Titer (> 5 BE)
    Faktor VIII-Konzentrat, Dosis: 100-200 E/kg KG zweimal/Tag bis zur mehrmonatigen Normalisierung der Recovery und Halbwertszeit, danach angepasste Dauerbehandlung. Die Kombination mit rekombinantem Faktor VIIa mit einer mittleren initialen Dosis von 90 µg/kg KG während der Hemmkörperelimination zur Reduktion der Blutungsneigung ist möglich. Bei Versagen der Eliminationstherapie Abbruch in der Regel nach 1,5 Jahren.

2. Erwachsene

  • Low Titer (< 5 BE)
    Meist keine Eliminationstherapie indiziert, bei Dauerbehandlung 50 E/kg KG dreimal/Woche
  • - High Titer (> 5 BE)
    Faktor VIII-Konzentrat, Dosis: 100-200 E/kg KG zweimal/Tag bis zur mehrmonatigen Normalisierung der Recovery und Halbwertszeit, danach gegebenenfalls angepasste Dauerbehandlung. Die Kombination mit rekombinantem Faktor VIIa mit einer mittleren initialen Dosis von 90 µg/kg KG während der Hemmkörperelimination zur Reduktion der Blutungsneigung ist möglich. Bei Versagen der Eliminationstherapie Abbruch in der Regel nach 1,5 Jahren.

VWS

Therapie

Es kann beim Typ 1 das Vasopressin-Analogon DDAVP (Minirin®, Fa. Ferring) i.v. oder als Octostim® intranasal appliziert werden. Es kommt durch Mobilisierung der körpereigenen, endothelialen Speicher zunächst zu einer Verdopplung bis Vervierfachung der VWF-Spiegel. Dabei ist jedoch zu beachten, daß es DDAVP-Versager gibt, so daß sich die vorherige Austestung der Gabe als DDAVP-Provokationstest in jedem Fall empfiehlt (Kontraindikationen beachten!) und daß sich die endogenen Speicher nach 3 bis 5 Tagen erschöpfen. Gegebenenfalls ist die Therapie danach anderweitig fortzusetzen.

Da bei Patienten mit Typ 2A qualitativ abberante Multimere vorliegen, ist die Mobilisierung dieser abberanten Moleküle über DDAVP meist nicht sehr effektiv. Bei Patienten mit Typ 2B gilt die Gabe allgemein als kontraindiziert, da sich eine Thrombozytopenie verstärken oder ausbilden und die Blutungsneigung aggravieren kann. Bei diesen Patienten sowie bei Patienten mit Typ 3 ist unter Umständen die Gabe eines FVIII-Konzentrates erforderlich, das zugleich VWF enthält und aus Blut- bzw. Plasmaspenden gewonnen wird. Bei der Wahl des Präparates ist zu beachten, daß möglichst viele hochmolekulare Anteile der VWF-Multimere im Konzentrat enthalten sind, da sie die hämostypischen Eigenschaften tragen.

  Therapie ist stets abhängig von: 
 Schweregrad, Typ, Blutungsart, individuellen Faktoren
 

 • DDAVP (0,4µg/Kg KG in 50 ml NaCl 2 x tägl.) oder
 • Octostim® Nasenspray 1-2 Hübe/Tag
 • Fibrinkleber, wo möglich
 • Tranexamsäure (i.v. oder lokal z.B. als Mundbad)

 • vWF-haltiges Faktor VIII-Konzentrat (z.B. Hämate, Fa. Aventis; Immunate,
   Fa. Baxter; Haemoctin SDH, Fa. Biotest)
 • 20-70 E/Kg KG 2-4 x tägl. oder auch 
 • 3-5 E /Kg KG /h per Infusor (2 E Heparin /ml Konzentrat zusetzten)

 

Tab. 0.4: Übersicht zur Therapie des VWS

Erworbenes von Willebrand-Syndrom

Bei einer Reihe von Erkrankungen kann es zur Ausbildung eines erworbenen von Willebrand-Syndroms kommen, mit quantitativen und/oder qualitativen Veränderungen des von Willebrand-Faktors, vorzugsweise vom Typ 2A und mit dadurch bedingter erhöhter Blutungsneigung. Der erworbene von Willebrand-Defekt scheint auch bei einer erhöhten Thrombozytenzahl vorzukommen. Er findet sich aber auch bei der Polycythaemia vera, bei Lymphomen, monoklonalen Gammopathien oder bei stenosierenden Vitium cordis mit erhöhten Scherkräften des Blutes und dadurchbedingtem Verlust der großen Multimere.

Erworbene Hemmkörper (Inhibitoren)

Sie können prinzipiell gegen sämtliche Gerinnungsfaktoren gerichtet sein. Am häufigsten sind Auto-Antikörper gegen FVIII, extrem selten gegen andere Faktoren oder gegen Thrombin. Im Gegensatz zu Phospholipid-Antikörper sind es sogennante Progressivinihibitoren, die im Plasmamischversuch unter Umständen nicht erkennbar sind. Erworbene Faktor VIII-Inhibitoren (auch spontane FVIII-lnhibitoren), die bei Patienten mit ursprünglich normaler Gerinnung auftreten, sind von denen eines Hämophilen zu unterscheiden. Sie treten meist bei prädisponierenden Faktoren wie verschiedenen Autoimmunerkrankungen (etwa rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes), malignen Tumoren, nach Bluttransfusionen oder Virusinfektionen auf.

THERAPIE:

Die Therapie gliedert sich zum einen in Blutstillung bei akuten Blutungen und Hemmkörperelimination zum anderen.

Blutstillung: Bei niedrigtitrigen Antikörpertitern <5 BE und nur geringer bis keiner Blutungsneigung kann die Substitution des betroffenen Faktors –soweit als Konzentrat vorhanden- in hoher Dosierung versucht werden. Alternativ steht rekombinanter Faktor VIIa zur Verfügung, der eine hohe Effiktivität bei ausgezeichneter Verträglichkeit gezeigt hat. Darüber hinaus können aktivierte Prothrombinkomplexkonzentrate eingesetzt werden (aPCC, z.B. Feiba®, Fa. Baxter-Immuno). In Fällen von Autoantikörper gegen Faktor VIII kann in Ausnahmefällen auch porciner Faktor VIII (Hyate C®, Fa. Speywood) bei fehlender oder nur geringer Kreuzreaktivität verwandt werden.

Hemmkörper-Eliminationstherapie (Antikörperelimination):

  • Stets Ursachensuche und Behandlung des Grundleidens
  • Immunadsorption bei Hemmkörpern >5 BE bzw. bei bedrohlichen Blutungen nach dem Heidelberg-Hannover-Protokoll.
  • Bei nierigtitrigen Antikörpern mit geringer Blutungsneigung: Corticosteroidbehandlung 1,5 mg/kg KG für mindestens 4 Wochen, dann Reduktion der Dosis. Falls keine Elimination der Hemmkörper zusätzlich Cyclophosphamidgabe.