Blutungsneigung

Die Blutungsneigung heißt in der Fachsprache hämorrhagische Diathese. Sie bezieht sich auf eine abnorme Blutungsbereitschaft. Betroffene Menschen bluten schon nach geringer Verletzung häufiger und länger als gewohnt, oder es kommt völlig spontan zu Blutungen unter die Haut, in Gelenke und innere Organe. Nach Operationen, Entbindung, Verletzungen oder Zahneingriffen besteht ein erhöhtes Risiko für Nachblutungen. Ursache aller dieser Erscheinungen ist eine gestörte Gerinnung, so dass ein Blutgefäßdefekt nicht in schnell genug abgedichtet wird und die Blutung stoppen kann.

Die Blutgerinnung ist ein komplizierter Vorgang. Er erfordert das Zusammen-wirken von Blutzellen (Blutplättchen, Thrombozyten), zahlreichen Gerinnungs-faktoren im Plasma (Blutflüssigkeit) und den Blutgefässen selbst.

Die bekannteste hämorrhagische Diathese ist die Bluterkrankheit (Hämophilie). Sie ist eine genetisch bedingte Störung der Blutgerinnung, bei der bestimmte Gerinnungsstoffe fehlen, nicht in genügendem Maß vorhanden oder defekt sind. Je nachdem, welche Gerinnungsfaktoren beeinträchtigt sind, kennt man verschiedene Arten von Hämophilie (A, B und C), die sich in ihrer Auswirkung für die Erkrankten nicht unterscheiden. In europäischen Ländern rechnet man mit etwa 1 Hämophiliekranken pro 5.000 bis 10.000 Einwohner, doch sind milde Formen nicht selten.

Eine gesteigerte Blutungsneigung oder „hämorrhagische Diathese“ hat jedoch häufiger andere Ursachen als genetische Defekte. Eine hämorrhagische Diathese läßt also nicht ohne weiteres auf eine Hämophilie schließen.

Ursachen:

  • Die bekannte, aber seltene Hämophilie (die klassische Bluterkrankheit) ist erblich. Betroffen sind vor allem Männer. Frauen können zwar so genannte Trägerinnen (Konduktorinnen) des Gens sein und dieses weiter vererben, erkranken aber selbst nur vereinzelt (geschlechtsabhängiger Erbgang) und mit geringerer Beeinträchtigung als Männer.
    Selten ist die erworbene Hämophilie, bedingt durch das Entstehen von Autoantikörpern, also Abwehrstoffen, die sich gegen eigene Gerinnungsfaktoren richten. Diese Krankheit tritt in der Regel erst im höheren Lebensalter auf, verursacht jedoch bisweilen schwere Blutungen.
  • Oft ist die Anzahl der Blutplättchen reduziert oder deren Funktion gestört, aber auch eine Verminderung von Gerinnungsfaktoren oder ihrer Reaktionsfähigkeit kommt vor, ohne daß eine Hämophilie vorliegt.
  • Eine verstärkte Blutungsneigung oder „hämorrhagische Diathese“ hat jedoch zumeist nichts mit der erblichen Krankheit, der Hämophilie, zu tun; andere Ursachen sind weitaus häufiger. So kommen Gerinnungsstörungen vor als Begleiterscheinung bei bösartigen Tumorerkrankungen (Leukämie, maligne Lymphome), rheumatischen Erkrankungen, bestimmten Infektionen, Sepsis, Leberzirrhose, chronischen Darmerkrankungen, Vitaminmangel, Gefäßmißbildungen, als Nebenwirkung von unterschiedlichen Medikamenten oder bei verschiedenen allergischen und immunologischen Erkrankungen.
  • Bisweilen ist die Blutungsneigung erhöht, weil die Gefäßwände leichter verletzlich und durchlässiger sind als normal.
  • Ein vermehrtes Blutungsrisiko besteht außerdem als Nebenwirkung häufig verordneter gerinnungshemmender Medikamente (Antikoagulantien), die zur Behandlung einer Thrombose oder zur Prophylaxe einer Embolie verordnet werden.